An die Heiligen unserer Zeit

Liebe „Heilige“ unserer Zeit,
Immer wieder hören wir, welche grausamen Dinge Euch aufgrund Eures Glaubens angetan werden. Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten würde, wenn mir wegen meines Glaubens mit dem Tod gedroht werden würde.

Müsste ich mich vor dem anderen Menschen wirklich verantworten? Macht das, was ich meinem Gegenüber über meinen Glauben sage, einen Unterschied für Gott, der allein meinen wahren Glauben kennt? Wieso muss ich vor einem Menschen, in dem offensichtlich das Böse steckt, meinen Glauben bekennen, wenn das meinen sicheren Tod bedeutet, es bedeutet, dass ich all meine gutwilligen Vorhaben zum Wohle der Menschheit nicht realisieren kann und meine Angehörigen durch meinen Tod leiden müssen? Wäre es nicht viel einfacher gewesen, einfach nur zu sagen: „Nein, ich glaube nicht an Gott?“

Liebe „Heilige“ unserer Zeit, wir reden viel, wir predigen, wir umreisen die Welt und wir missionieren. Ja, wir schreiben auch viel… Aber kein Zeugnis ist so glaubwürdig und authentisch wie Euer!

Doch warum muss ich mich vor dem anderen Menschen verantworten?
Ich glaube, wir Menschen übernehmen gegenseitig Verantwortung füreinander. Was wäre, wenn den Eltern das Glück ihres Kindes gleichgültig wäre, dem Arzt die Krankheit seines Patienten, dem Lehrer der Erfolg seiner Schüler, dem Ehemann die Gefühle seiner Ehefrau? Und was, wenn dem Richter das Gesetz gleichgültig wäre? Immer, wenn es zu dieser Gleichgültigkeit kommt, folgen negative Konsequenzen. Wenn nicht jeder in der Gesellschaft seine Rolle übernimmt, gerät alles außer Kontrolle. Wir übernehmen nicht nur eine Rolle in der Gesellschaft, sondern gleich mehrere: Wir sind Bäcker, Vater, Bruder, Sohn, Nachbar. Wir sind Tochter, Lehrerin, Freundin, Schwester.

Und unsere Rolle – unsere Berufung – als Christ? Die Liebe – nicht zu dem Menschen insgesamt, sondern zu jedem einzelnen Menschen, wie Jesus es vorgelebt hat. Über unser Ego hinausschauen, nicht nur uns selbst, sondern den Anderen sehen und sein Heil und seine Rettung wollen. Wenn wir glauben, dass in Jesus Christus Rettung ist und wir aus Liebe nicht nur unser Heil, sondern das Heil jedes einzelnen Menschen anstreben, dann müssen wir uns ganz vergessen und den Menschen den Weg zur Wahrheit weisen, ihnen nach Eurem Vorbild zeigen, dass es Etwas gibt, das wichtiger ist als das irdische Leben.

Doch wäre es nicht viel einfacher gewesen, einfach nur zu sagen: Nein, ich glaube nicht an Gott?
Ja, es wäre um so vieles einfacher gewesen. Menschlich gesehen, besteht unser Glück darin, ein möglichst glückliches und langes Leben hier auf Erden zu leben. Aber es gibt mehr als das, was unser menschliches Auge sieht. Hier auf Erden dürfen wir das wahre Glück nur erahnen. Wie groß muss es doch im wahren Leben sein!

Liebe „Heilige“ unserer Zeit, Ihr seid immer noch unter uns, solange wir Euch nicht vergessen. Solange wir von Euch lernen, unser irdisches Leben für Gott hinzugeben.

Liebe „Heilige“ unserer Zeit, ich weiß, dass Ihr meine Worte zu Eurem Heil und Glück nicht braucht. Sie vermindern auch nicht die Qual, durch die Ihr gegangen seid. Sie machen Euch nicht heiliger. Aber vielleicht brauchen wir diese Worte. Vielleicht brauchen wir die Einsicht, dass wir erst dann wahren Glauben zeigen, wenn wir bereit sind, Christus mit voller Hingabe zu folgen. Konsequent und furchtlos. Ihr seid wahre Zeugen der Liebe; einer Liebe, die selbst dem Feind gegenüber gilt und die stärker ist als das Böse, sogar stärker als der Tod.

Und wie wunderbar ist es doch, dass wir die Chance haben, so vielen Menschen Tag für Tag unseren Glauben in Freiheit zu zeigen! Und wie beschämend ist es doch, dass wir uns manchmal damit schwertun, bei Berichten über unser Wochenende zu erwähnen, dass wir am Sonntag in der Kirche waren, in der Öffentlichkeit das Kreuzzeichen zu machen oder jemanden „Gottes Segen“ zu wünschen. Wie einfach sind doch all diese Gesten im Vergleich zu Eurem Opfer und wie wenig nutzen wir die Gelegenheit, Glaubenszeugnis zu geben.

Liebe „Heilige“ unserer Zeit, ich bitte Gott auf Eure Fürsprache um die Gnade eines solchen Glaubens wie Ihr ihn uns vorgelebt habt.

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